Samstag, 24. Januar 2009
 
Holy Land Olive Oil PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Veronika Rochhart   
Sonntag, 9. September 2007

Im August waren sechs Personen aus Graz im Westjordanland und in Israel unterwegs. Ein wichtiges Ziel der Reise war, die Möglichkeiten für eine Kooperation zwischen Graz und Zababdeh im nördlichen Westjordanland auszuloten. Wie aus dem Bericht hervorgeht, wünschen sich die palästinensischen LehrerInnen einen Austausch mit österreichischen Schulen- auf SchülerInnen- und LehrerInnenebene.

In den ausgedehnten Olivenhainen, die Zababdeh umgeben, wird im Herbst eine reichliche Ernte eingefahren. Über 2000 Gallonen des kostbaren Extra Vergine werden jährlich gepresst. Die zwei Ölmühlen des Dorfes unterliegen laufender Qualitätskontrolle. Zababdeh verfügt über eine eigene Abfüllanlage für Olivenöl, die von einem kirchlichen Komitee betrieben wird und allen ProduzentInnen offen steht. Sie wurde von italienischen Projektpartnern gestiftet, die zwei Jahre lang Zababdehs Olivenöl der Marke Holy Land Olive Oil abgenommen und über italienische Pfarren vermarktet hatten. Zababdehs Olivenöl entspricht allen Anforderungen, die der europäische Markt verlangt. Qualität und Säuregehalt werden regelmäßig im Labor überprüft. Die Abfüllanlage, die mit einfachen aber modernen Maschinen ausgestattet ist, ging jedoch nie in Betrieb, da die italienischen Partner das Projekt nicht fortsetzten konnten. Zababdeh hat heute für sein Olivenöl keinen ausländischen Absatzmarkt mehr. Der innerpalästinensische Markt ist gesättigt. Durch Unterstützung bei Export und Vertrieb des Holy Land Olive Oil in der Steiermark (eventuell über heimische Pfarren) könnte der wirtschaftlichen Lage der Bauern und Bäuerinnen wesentlichen Auftrieb gegeben werden.
Zababdeh gibt sein Öl um 5,50 Euro ab (exkl. Transportkosten). In Europa ist die Einfuhr von palästinensischem Olivenöl aufgrund eines Abkommens zwischen EU und Palästinensischer Autonomiebehörde steuerfrei. Das Öl kann in Flaschen beliebiger Größe abgefüllt werden.

Die Latin Partriarch School – Katholische Privatschule

Die einzige Privatschule des Dorfes ist in einem modern ausgestatteten Gebäude untergebracht. Die Kinder werden in geräumigen freundlichen Klassenzimmern unterrichtet. Nach dem schuleignenen Kindergarten kann hier die gesamte Schulausbildung von der 1. bis zur 12. Klasse absolviert werden. Der Schulinspektor kommt ein bis zweimal pro Monat. Der Unterricht findet wie überall in Palästina von Montag bis Donnerstag und am Samstag statt. Freitag und Sonntag sind als muslimisches bzw. christliches Wochenende frei. Dem 45-köpfigen Lehrkörper stehen dazu eine große Auswahl an Lehrmaterialien und Ausstattung vom Computersaal bis zum Sprachlabor für den Englisch- und Französischunterricht zur Verfügung. Englisch wird hier schon im Kindergarten gelehrt. Für das Mittagessen wird in der Kantine gesorgt. SchülerInnen von außerhalb werden mit Schulbussen zur Privatschule gebracht. Doch nur wenige Familien in Zababdeh können sich die Schulgebühren von jährlich 350 $ leisten. Palästinensische Vertriebene aus den Jahren 1948 und 1967 zahlen die ermäßigte Schulgebühr von 100 $. In der wegen der Besatzung anhaltenden verheerenden wirtschaftlichen Lage, die auch kleinere Ortschaften wie Zababdeh mit voller Härte trifft, können die meisten Kinder nur davon träumen, hier unterrichtet zu werden.

Auch die katholische Privatschule hatte unter den Folgen des europäischen Boykotts gegen Palästina zu leiden. Viele Eltern, die in öffentlichen Institutionen beschäftigt sind, waren außer Stande die Schulgebühren zu bezahlen, da ihnen die Autonomiebehörde über Monate kein Gehalt ausbezahlen konnte. Die deutsche Erich-Kästner-Schule hat nach den Wahlen ihre Schulpartnerschaft gekündigt.

Andererseits werden die ausgedehnten Renovierungsarbeiten, die momentan in der Privatschule laufen, aus Geldern des UN Development Programs finanziert, die eigentlich für die öffentlichen palästinensischen Schulen vorgesehen waren. Sie wurden jedoch kurzerhand in die Privatschulen umgeleitet, da sich auch die UN-Institutionen entschlossen hatten, öffentliche palästinensische Einrichtungen nach dem Wahlsieg der Hamas zum Legislativrat der Autonomiebehörde nicht weiter zu unterstützen, berichtet Iyad, der Direktor der Privatschule. Der Boykott der internationalen Gemeinschaft ging tatsächlich so weit, die Augen vor dem desolaten Zustand der öffentlichen Bildungseinrichtungen zu verschließen. Damit wurde besonders jene Mehrheit der palästinensischen Kinder getroffen, die sich aufgrund der finanziellen Lage ihrer Eltern den Besuch der Privatschulen nicht leisten können.

Iyad, der Direktor der Latin Partriarch School Zababdeh, berichtet, dass sich die Probleme im Unterricht auf kleinere Streitereien zwischen den SchülerInnen beschränken, die von den LeherInnen ohne weiteres geschlichtet werden können. Im schwierigeren Fällen wird das Gespräch mit den Eltern gesucht. Gewalt im Unterricht ist verpönt. Mit Verwunderung wird – wie überall in Zababdeh - unsere Frage nach interreligiösen Spannungen aufgenommen. Der gemeinsame Unterricht von muslimischen und christlichen Kindern in seiner Schule ist eine Selbstverständlichkeit. In den Klassenräumen sind sowohl christliche als auch muslimische religiöse Symbole zu finden. Was den Unterricht aber tatsächlich belastet, sind die finanziellen Schwierigkeiten der Familien, die Schulgebühr bestreiten zu können.

Die öffentlichen Schulen Zababdehs

Während an den Privatschulen 3000 Schekel (ca. 530 Euro) an jährlicher Schulgebühr anfallen und alle Schulbücher von den Eltern zu bezahlen sind, beträgt die Einschreibgebühr an öffentlichen Schulen 40 Schekel. Die Bücher werden von der Autonomiebehörde gratis zur Verfügung gestellt. Doch selbst 7 Euro Schulgebühr überfordern viele Familien finanziell. In Zababdeh gibt es neben dem katholischen Privatinstitut auch zwei öffentliche Schulen, die Mädchenschule, an der in der Unterstufe gemischtgeschlechtlich unterrichtet wird, und die Jungenschule. Beide führen bis zur Universitätsreife. Viele SchülerInnen aus Zababdeh streben den Besuch einer der 7 Universitäten Palästinas an.

Doch die Situation an den öffentlichen Schulen ist desolat. Nur wenn internationale Fördergelder lukriert werden können, ist mehr als die bloße Aufrechterhaltung des Unterrichtsbetriebes möglich. Das wird besonders deutlich, als wir die Jungenschule besuchen.

Während die Mädchenschule aus deutschen Entwicklungshilfegeldern den Bau zumindest eines neuen Gebäudes finanzieren konnte, das jetzt die Bibliothek beherbergt, gestaltet sich die Situation in der Jungenschule wesentlich dramatischer.

Die Jungenschule

Seit Beginn der israelischen Besatzung wurde das Schulgebäude weder erweitert noch erneuert. Alles befindet sich noch im Zustand von 1967. Nur die Toiletteanlagen wurden aus den Geldern des EU-Programms ECHO und einer Oxfam-Spende renoviert. Hier werden 300 Schüler von 22 Lehrern unterrichtet. Die Jungenschule befindet sich weit außerhalb der Ortschaft. Auf dem Weg dahin werden die Schüler immer wieder von vorbeifahrenden Patrouillen der israelischen Armee belästigt. Eltern fürchten besonders um die Sicherheit der jüngeren Kinder auf der gefährlichen Straße. Die Klassenräume bieten ein tristes Bild. Vor bröckelnden Wänden stehen auf rohem Betonfußoden dicht gedrängt uralte Schulbänke und Sessel. Auf weniger als 20 Quadratmetern werden hier bis zu 40 Schüler in einer Klasse unterrichtet. Alte Wandtafeln sind der einzige Unterrichtsbehelf. Wenn im Winter die Kälte Einzug hält, schreibt die Kreide wegen der Feuchtigkeit nicht mehr, die die Wände ausschwitzen, berichtet uns der Mathematiklehrer Tarik. Dann kann nur mehr aus dem Buch frei vorgetragen werden. Moderne Lehrmittel fehlen völlig. Für 300 Schüler stehen nur 8 Computer zur Verfügung, die keinen Internetanschluss haben. Sich unter diesen Bedingungen auf die Universität vorzubereiten ist hart. Dennoch zeigen die Schüler unglaublichen Eifer, wollen lernen und an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten, erfahren wir von den Lehrern. Die Schule hat bei der Palästina-weit standardisierten Maturaprüfung überdurchschnittlich gut abgeschnitten, berichten sie stolz.

Die Lehrer erledigen hier dennoch keinen leichten Job. Auch sie waren unmittelbare Opfer des Boykotts der internationalen Gemeinschaft nach den Wahlen zum Legislativrat der Autonomiebehörde. Über 16 Monate bekamen sie keine Gehälter ausgezahlt. Nur ab und an kamen ihnen Zahlungen der EU zu. Doch mit 1000 Schekel (ca. 170 EURO) kommt niemand weit, wenn sich Monat für Monat die Schulden türmen. Eltern hatten manchmal nicht mal das Geld für die Schulhefte.

Besonders belastend ist es, wenn Schüler der Jungenschule von der israelischen Armee verhaftet werden. Auf dem Tisch im Büro der Direktors steht ein Miniaturmodell des Felsendomes, das von einem der Schüler im Gefängnis hergestellt wurde. Von neuen pädagogischen Methoden kann der Lehrkörper momentan nur träumen. Zu allererst müsste das drängende Platzproblem gelöst werden, erklärt auch der Direktor. Am besten wäre es, für die Jungen der Unterstufe eine neue Schule im Ortsgebiet zu bauen. Räume für die Bibliothek und das Lager fehlen völlig. Momentan stapeln sich Bücher und Büromaterialien in einer Abstellkammer, die durch die Teilung eines ohnehin schon winzigen Klassenraums gewonnen wurde. Ein Turnsaal wäre auch ein gewaltiger Fortschritt. Momentan steht nur ein trauriger staubiger Basketball- und Fußballplatz im Freien zur Verfügung, der im Winter wegen der Regenfälle und in den heißen Monaten wegen der Hitze nur eingeschränkt im Unterricht genutzt werden kann.

Einstweilen wären die Lehrer jedoch schon froh, eine Finanzierung für die Überdachung der Dachterrasse bekommen zu können, damit so zumindest ein weiteres Klassenzimmer geschaffen werden könnte.

Die Mädchenschule

Auch in der Mädchenschule ist das Raumproblem durch den neuen Zubau keineswegs gelöst. In den meisten Klassen werden nach wie vor bis zu 45 Kinder auf 16 Quadratmetern unterrichtet. Durch die Risse im Boden kommen schon mal Schlangen und Skorpione ins Klassenzimmer. Die Räume sind dunkel und die feuchten Wände verheißen nichts Gutes für die Gesundheit der Kinder, die hier täglich mehrere Stunden verbringen müssen.

Dennoch spürt man im Gespräch mit den jungen Lehrerinnen das ungebrochene Engagement für die SchülerInnen, ebenso wie unter den Lehrern der Jungenschule. Allein die Tatsache, dass sie ein ganzes Schuljahr ohne Gehalt durchgehalten haben, spricht Bände.
Von einer Kooperation mit den LehrerInnen und Schulen der Stadt Graz und des Landes Steiermark erhoffen sie sich in erster Linie Möglichkeiten des Austausches: auf Lehrerebene etwa im Bereich der Lehrerfortbildung, auf SchülerInnenebene durch Brieffreundschaften und Schüleraustausch. Doch der Besuch beider Schulen zeigt deutlich, dass auch was den Ausbau und die Verbesserung der Schulinfrastruktur und der Lehrmittel betrifft, Unterstützung dringend nötig ist.

Mehrere LeherInnen betonen, wie wichtig es für ihre SchülerInnen wäre, Brücken zu Menschen außerhalb Palästinas bauen zu können. Die Kinder erleben es ebenso wie die Erwachsenen als äußerst bedrückend, nicht reisen zu können. Während sich allein schon die Fahrt ins nur 11 km entfernte Jenin aufgrund der Abriegelung der Straßen und immer neuer Restriktionen regelmäßig als unangenehmes Abenteuer gestaltet, sind Auslandsreisen für die meisten hier ein ferner Traum. Dennoch oder gerade deshalb sind die Jugendlichen offen, neugierig und hungrig nach der Möglichkeit Neues kennenlernen zu können und sich mit Menschen in anderen Situationen austauschen zu können.

Als erster Schritt im Rahmen der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Schulen auf LehrerInnenebene könnten im Englisch- bzw. Französischunterricht Brief- bzw. Internetfreundschaften initiiert und begleitet werden. Für die Zukunft sollte auch ein LehrerInnen- und SchülerInnenaustausch in Betracht gezogen werden.

Die israelische Armee in Zababdeh

Zababdeh hat immer wieder unter den überfallsartigen Operationen der israelischen Besatzungsarmee zu leiden. Die Hälfte der Haushalte verfügt momentan nur über eine äußerst prekäre Stromversorgung, da im April dieses Jahres eine israelische Kugel eine der wichtigsten Umspannstationen, die mitten im Ort an der Hauptstraße liegt, außer Betrieb gesetzt hat. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 20.000 $, die aus dem Gemeindebudget unmöglich bestritten werden können. An Schadenersatz von der Besatzungsarmee ist gar nicht zu denken.

Obwohl Zababdeh als für palästinensische Verhältnisse äußerst ruhiger Ort gilt, kommt es immer wieder zu Übergriffen der Besatzungsarmee. Während des Aufenthaltes der Grazer Delegation wurde am 8. August ein Viertel Zababdehs um Mitternacht von der Armee hermetisch abgeriegelt. Alle BewohnerInnen dieses Ortsteiles wurden aus ihren Betten aufgeschreckt und mussten bis 2 Uhr früh im Pyjama auf der Straße ausharren, ganz egal ob Kind, ob Frau oder alter Mensch. Stundenlang wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dann war der Spuk vorbei. Viele BewohnerInnen der anderen Stadtteile hatten von der ganzen Aktion so wie wir nichts mitbekommen. Derartige Überfälle erregen nach 40 Jahren Besatzung auch kaum Aufsehen. Die Menschen wissen, dass jederzeit alles passieren kann.

Armeepatrouillen brausen besonders in den Morgenstunden durch den Ort. Doch die Situation hat sich wesentlich verbessert, schildern uns Haifa, die Krankenschwester des Medical Relief, die mit der Partei Mustafa Barghoutis zu den letzten Wahlen angetreten ist und ihr Mann. Bis vor wenigen Jahren war nämlich 300 m außerhalb des Dorfes eine riesige israelische Militärbasis untergebracht, von der aus immer wieder Schüsse auf den Ort abgegeben wurden. Im Haus von Haifas Bruder schlug aus heiterem Himmel eine Kugel im Wohnzimmer ein und verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Auch die Jungenschule lag im direkten Schussfeld der Soldaten. Für ganz Zababdeh war es deshalb eine große Erleichterung, als die Basis endlich abgezogen wurde, auch wenn das riesige Gebiet, auf dem die israelische Armee vor dem Abzug alle Gebäude zerstörte und die Trümmer zurückließ, einen keineswegs einladenden Eindruck hinterlässt.

Allein in Zababdeh leben mehr als 100 Personen, die durch die israelische Armee verletzt wurden. Vier Menschen starben in der 2. Intifada. Momentan befinden sich zwischen zehn und 12 Gemeindebürger in israelischen Gefängnissen.

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